Ist Maria, die Mutter von Jesus, ein Vorbild für echte Weiblichkeit?

Es wäre für viele Menschen lehrreich und vermutlich überaus beglückend zu erfahren, ja, als Augenzeugen miterleben zu können, welch eine ungezwungene, fröhliche, Güte und Liebe ausstrahlende, dabei durchaus energische und mit fester Hand regierende Frau sie war. In deren Haus und Hof herrschte eine Fröhlichkeit mit Humor, Lebens- und Daseinsfreude. Trübsal oder unnötig erzwungene Enthaltsamkeit waren dort fehl am Platz. 

Maria als Frau

Der hohe Rang, den Maria einnimmt, und die unwiderstehliche Neigung des Menschen, die Gestalt, die er verehrt, auf ein weit über ihn hinausragendes Piedestal zu stellen und somit zu entmenschlichen, lässt viele Verehrer Mariens vergessen, dass sie in ihrem Erdenleben eine Frau war, und zwar im besten und vollen Sinne des Frauendaseins.

Maria kann den Menschen in all ihren Nöten umso mehr beistehen und verstehen, ihnen aber auch sehr viel Freude verschaffen, als sie selber alle Höhen und alle Tiefen menschlichen Daseins durchlebt und durchlitten und also das menschliche Dasein in sämtlichen Dimensionen voll und restlos integriert und vergeistigt hat.

Auch Maria hat, wie ihr Sohn Jesus, die ganze menschliche Entwicklung durchschritten. Bereits vor dem Antreten ihrer letzten Inkarnation stand sie auf der höchsten Stufe menschlicher Entwicklung und damit vor ihrer persönlichen «Endzeit».

Gerade auf einer solchen Entwicklungshöhe kann vom Menschen verlangt werden, das irdische Dasein voll zu leben und seelisch auszuschöpfen, um es in sich ganz aufzunehmen.

Sie freute sich nicht nur ihrer Kinder und des Gesindes, sondern erfreute sich auch ihres Gatten, Josef, indem sie die hohe Gabe der Sexualität aus Gottes Hand ebenso dankbar und sich ihr voll hingebend annahm, wie sonst auch alle Gaben Gottes, so freilich auch Erprobungen und das ihr zugemutete Leid.

Auch im Leiden war sie eine Frau im vollen Sinne. Sie besass die höchste Fähigkeit weiblicher Passivität, die eine restlose Hingabe ermöglicht, die Fähigkeit zum vorbehaltlosen Erleben und Erleiden. So war sie fähig, sich dem Leiden bis in die tiefsten Tiefe ihrer Seele auszuliefern.

Diese Fähigkeit wurde ihr nicht einfach in den Schoss gelegt, sie war die Frucht ihres inneren Wachstums. Sie ermöglichte ihr eine ungewöhnlich hohe Sensibilität und sich in andere tief einzufühlen.

Es gab zu irdischen Lebzeiten Jesu wohl keinen zweiten Menschen, der ihn seelisch so weitgehend begleitet hätte wie sie, selbst wenn sie den Sinn des Lebens und des Schicksals ihres Sohnes damals noch nicht voll begreifen konnte. Erst in der Zeit nach seinem Kreuzestod gelangte sie zum vollen Verständnis von Jesu Werk.

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aus dem unveröffentlichten Manuskript-Entwurf über «Die Zeitwende»